George - Der Hund, der mir das Leben rettete by Dolan John

Autor:Dolan, John [Dolan, John]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2015-11-10T16:00:00+00:00

Vom Parliament Hill hat man eine wunderbare Aussicht. Manchmal hing ich dort stundenlang meinen Gedanken nach.

Auch wenn sich die Zimmerwirte nicht als Tyrannen aufführten, wurde man jeden Morgen Punkt zehn rausgeworfen, nachdem man zum Frühstück mit einem fettigen Spiegelei und einem Gummiwürstchen abgefertigt wurde. Meistens durfte man erst um zwanzig Uhr wieder kommen, sodass man eine verdammt lange Zeit totzuschlagen hatte. Meistens konnte ich für Jimmy arbeiten, allerdings brauchte er mich nicht immer und schon gar nicht Vollzeit. Immer steckte er mir etwas Geld zu, aber oft hing ich den halben Tag einfach nur rum und rauchte Gras. Ich hatte wieder damit angefangen, froh darüber, die Zeit irgendwie rumzubekommen.

Wenn ich nicht für Jimmy arbeitete, suchte ich mir andere Beschäftigungen. Vom Schuleschwänzen wusste ich, dass es nicht einfach war, sich auf der Straße die Zeit zu vertreiben, wenn man kaum Geld in der Tasche hatte. Manchmal kaufte ich mir ein Tagesticket, fuhr auf der Circle Line ständig im Kreis und ließ die Welt an mir vorüberziehen. Oder ich ging ins British Museum und schlenderte durch die Ausstellungsräume. An manchen Tagen fuhr ich mit dem Bus zu den Parliament Hill Fields, wo ich stundenlang auf einer Bank saß und darüber nachdachte, wie mein Leben an diesen Punkt hatte gelangen können.

In jener Zeit war ich unglaublich einsam. Eines Tages, etwa drei Monate nach unserer letzten Zusammenkunft, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und besuchte Dot und Gerry. Ich schob nach wie vor einen Groll auf Gerry, weil er mich rausgeworfen hatte, aber ich wollte den Kontakt nicht ganz abreißen lassen; das hätte mir den Rest gegeben.

»Schon gut, ich will euch nur besuchen«, sagte ich, als Dot an die Tür kam. »Sag dem alten Mistkerl, dass ich nicht bleibe.«

Sie ließ mich rein, sagte mir, dass sie sich freue, mich zu sehen, und erkundigte sich, was ich so trieb. Gerry ließ mich links liegen – fast. Ich setzte eine tapfere Miene auf, erzählte ihnen von meinem Job in Jimmys Möbelladen und beteuerte, dass ich ein Dach über dem Kopf hätte. Mit Details hielt ich mich nicht lange auf und verschwieg, dass sich das Dach jeden Tag änderte und ich keineswegs eine feste Bleibe hatte.

»Ich bin froh, dass du was machst«, sagte Dot. »Ich hab übrigens dein Zimmer leergeräumt. Ich hab nichts aufgehoben, die Sachen würden dir sowieso nicht mehr passen. Willst du es mal sehen?« Ich hatte nichts dagegen. Warum auch? Auch wenn Dot etwas aufbewahrt hätte, was ich noch haben wollte – Kindheitszeichnungen zum Beispiel –, wäre ich mit dem alten Zeugs im Rucksack kaum durch London gezogen.

Der Gesundheitszustand von Mum und auch von Dad hatte sich zu der Zeit sehr verschlechtert. Das war ein weiterer Grund, warum ich sie wenigstens ab und zu sehen wollte. Bei Dot war schon einige Jahre zuvor Krebs diagnostiziert worden. Sie hatte die Krankheit von Anfang an heruntergespielt und lange Zeit auch kaum Symptome gezeigt. Sie litt, wie es familienintern hieß, an Problemen »im unteren Stockwerk«, an Eierstockkrebs. Sie hatte sich selten darüber ausgelassen und nie über ihre

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